Was ist Yoga?
Yoga bedeutet Verbindung.
Yoga zu praktizieren heißt: zu üben, mit seinem Körper, seiner Seele und seinem Geist in Verbindung zu sein. Einen Weg zu gehen, der durch tägliches, persönliches Tun bestimmt ist.
Die Yoga-Praxis dient der Beweglichkeit, der Wahrnehmung und der Bewusstmachung was wirklich da ist. Es sind nicht nur körperliche sondern auch psychische Erscheinungen, die unser Tun bestimmen.
Asana, die Körperübungen, sind nur ein Aspekt der Yoga-Praxis. Atem und Entspannung sowie Mediation und die Reflexion des eigenen Erleben und Handeln sind weitere Bestandteile der Yogapraxis. Nur in dieser Kombination ist die Yoga-Praxis vollständig und führt zu Wachstum.
In der indischen Philosophie ist der Yogaweg, der Weg, der zur Erleuchtung führt. Die Yogapraxis ist eine tägliche Übung, um den achtgliedrigen Pfad, den Patanjali, irgendwann zwischen dem 2. Jahrhundert vor Christus und dem 4. Jahrhundert nach Christus in seinem Yoga Sutra beschrieben hat, in das tägliche Leben zu integrieren. Ziel dieser Praxis ist es, ein gesundes und erfüllendes Leben zu führen. Die Verbindung zum persönlichen Selbst, zur eigenen Seele und damit auch die Verbindung zum Universum zu suchen. Die Frage nach dem: „Wer bin ich?“ zu beantworten und einen Sinn für das eigene Leben zu finden.
Yoga ist undogmatisch und an keine Religion gebunden. Yoga ist älter als alle bekannten Religionen und unabhängig von Ihnen entstanden.
Ich versuche hier anhand einiger Beispiele diese Praxis zu beschreiben, greifbarer zu machen.
Der achtgliedrige Pfad
Der achtgliedrige Pfad, den Patanjali in seinem Yoga Sutra erstmalig schriftlich beschreibt, ist ein Gerüst, das dem Menschen eine Struktur für sein Leben anbietet. Ähnlich den 10 Geboten der Christen, zum Beispiel, gibt dieser Weg die Richtung an, die der Yogi in seinem persönlichen Leben einschlagen kann.
Es sind Empfehlungen, die der Praktizierende, im Kontakt mit sich selbst, mit Leben füllen soll. Mit wachsender Erfahrung durch die Yogapraxis und die Selbsterkenntnis des Übenden verändert sich die Sicht auf die Dinge. Der Übende entdeckt neue Aspekte in scheinbar altbekannten Werten wie Gewaltlosigkeit oder Wahrhaftigkeit. Indem er durch eigenes Erleben die Begriffe mit Leben füllt, erschließen sich ihm Irrungen und Wirrungen, bis er selbst neue Erkenntnisse gewinnen kann. Wir lernen und wachsen durch persönliches Erleben und Erkenntnis.
Das ist die Voraussetzung dafür, Veränderungen in unserem Leben einzuleiten und in unser Handeln zu übernehmen.
Der Pfad (Ashtanga) des Patanjali gliedert sich in:
1) Yamas – Haltung nach außen:
ahimsa – Gewaltlosigkeit
satya – Wahrhaftigkeit
asteya – nicht stehlen
brahmacharya – Enthaltsamkeit
aparigraha – Anspruchslosigkeit
2) Nijamas – Haltung uns selbst gegenüber
sauca – Reinheit
samtosa – Zufriedenheit
tapas – Disziplin – Durchsetzungsvermögen im Innern
svadhyaya – Selbsterforschung
ishavarapranidhana – Hingabe an Gott – Hingabe an das Leben
3) Körperübungen – Körperhaltung (asana)
4) Atemübungen/Energieübungen – Regulierung des Atems (pranayama)
5) Nach innen ziehen der Sinne – Aufmerksamkeit geht nach innen (pratyahara)
6) Konzentration – Fokussierung (dharana)
7) Meditation – meditativer Zustand (dhyana)
8) Erleuchtungszustand – eins sein ( samadhi)
Diese Struktur bildet sozusagen die einzelnen Schichten unseres Selbst ab. Wir durchlaufen wie in einer Spirale viele Male in unserem Leben die einzelnen Stationen und werden immer wieder mit Herausforderungen konfrontiert. Diesen Weg geht jeder Mensch – der eine bewusst, der andere unbewusst.
Was heisst das für uns?
Es ist auch in unserer Kultur ein Wert, sich gewaltlos zu verhalten – kognitiv stimmen wir diesem Wert sicher zu. Was ist mit Gewaltlosigkeit gemeint? Was bedeutet das für mich selbst? Hat das etwas mit mir zu tun?
Diesen Fragen versuche ich anhand einiger Beispiele näher zu kommen.
1. Yama – der Umgang mit der Umwelt – Haltung nach außen
dazu gehört z.B. : Gewaltlosigkeit, Disziplin, Ehrlichkeit etc. siehe oben.
Diese Werte, die Patanjali als unser Verhalten zum Außen, also gegenüber allen Lebewesen und der Natur, als erstrebenswert aufführt, einzuhalten ist eine große Herausforderung. Wir müssen bereit sein zu üben, um diesen Zielen folgen zu können. Wie das Zitat unten zeigt, durchlaufen wir bis zum Erreichen dieser Ziele viele Stufen. Zunächst müssen wir jedoch für uns selbst klären, was diese Werte für uns bedeuten.
„Lebt ein Mensch in vollkommener Übereinstimmung mit dem Yama, wird er niemals davon abweichen, egal welcher Berufung er folgt, an welchem Ort und zu welcher Zeit er lebt und welcher Art seine momentanen Umstände sind, so erfüllt er die höchste Stufe.“
Patanjali, Yoga-Sutra 2.31.
Beispielhaft gehe ich auf zwei auf Werte aus den Yamas ein, um zu zeigen, wie sich der Yoga-Praktizierende ganz praktisch mit diesen Werten beschäftigen kann.
Gewaltlosigkeit – Ahimsa
Gewaltlosigkeit ist die Grundvoraussetzung für ein yogisches Leben.
Sie beginnt bei mir selbst.
Nehme ich mich wahr? Spüre ich meine Sinne? Spüre ich meinen Körper?
Wie fühle ich mich? Kann ich meine Gefühle wahrnehmen?
Beschäftige ich mich damit, wie ich mich fühle? Oder gehe ich einfach darüber hinweg?
Wie gehe ich mit mir um? Nehme ich mich ernst? Gehe ich liebevoll, ungeduldig oder ruppig mit mir um?
Nur wenn ich einen guten Umgang mit mir selbst pflege, kann ich auch mit meiner Umgebung einen guten Umgang pflegen – also Yama erfüllen.
Ehrlichkeit
Was ist ehrlich? Was bedeutet es nicht zu lügen? Kann ich Konflikte ertragen?
Kann ich Angst aushalten?
Was bedeutet Aufrichtigkeit? Kann ich aufrichtig zu mir stehen, mit all meinen Schwächen und Fehlern?
Kann ich ehrlich sein, wenn ich immer versuche zu gewinnen, erfolgreich zu sein?
Nur wenn ich ehrlich mir selbst gegenüber bin, kann ich auch ehrlich im Umgang mit anderen sein. Das bedeutet nicht, dass ich immer perfekt sein muss. Mir einzugestehen, dass ich nicht perfekt bin, das ist ehrlich und erfüllt Yama.
Diese beiden Beispiele sollen verdeutlichen: wenn ich mich mit diesen Fragen beschäftige, mich reflektiere und mich beobachte, kann ich mich weiter entwickeln. Ich lerne etwas über mich. Irgendwann verstehe ich, was ich ändern kann und dann kann ich auch mein Handeln ändern.
Das zu üben ist Ziel der Yoga-Praxis – nicht nur auf der Matte sondern auch im täglichen Leben.
- Niyama – der Umgang mit sich selbst – Haltung uns selbst gegenüber
Die Haltung uns selbst gegenüber erfordert eine Klärung im Innern. Ein Prozess, bei dem wir körperliche Ablagerungen, alte Muster, Gedanken und Gefühle, die uns belasten, hinterfragen, transformieren oder loslassen können. Schon die erste Haltung: sauca – körperliche Reinheit, geistige Reinheit und gefühlsmäßige Reinheit sind eine wichtige Voraussetzung für ein gesundes Leben.
Die Auseinandersetzung mit den persönlichen Aspekten der einzelnen Nijamas begleitet uns in unserem Prozess und erlaubt, immer wieder neue Aspekte, bei der Frage der Zufriedenheit z.B., im eigenen Leben zu suchen und zu finden. Was bedeutet Zufriedenheit für mich? beantwortet sich manchmal auch aus der Frage: Was macht mich unzufrieden? Die Sicht auf diese Themen verändert sich im Laufe des Lebens immer wieder und lässt keinen Stillstand zu.
Die Aspekte des Yoga, die wir in täglichen Übungen vollziehen können folgen nun bei Patajali. Man könnte sagen: vom Denken zum Handeln und umgekehrt wirken all diese Übungen im Erkenntnisprozess des Yogi.
3) Asana – Körperübung
Bei uns im Westen werden diese Körperübungen oft gleichbedeutend mit Yoga verstanden – was den Kern nicht trifft. Yoga ist keine Gymnastik oder Sportübung. Yoga ist ein ganzheitliches System, das den Menschen in seiner Gesundheit und Entwicklung fördert.
Asanas übt der Yogi um danach in Stille sitzen zu können. Auf Bewegung folgt Ruhe. Die Körperübungen sind eine Vorbereitung auf die Meditation. Durch die Körperübungen wird uns bewusst, wie wir uns fühlen, welche Herausforderungen wir heute am Tag der Übung zu meistern haben. Sie schulen den Umgang mit uns selbst.
Zum Beispiel kann ich mir die Frage stellen: Gehe ich heute gewaltfrei mit mir um, oder überschreite ich meine Grenzen und verletze mich womöglich dabei? Will ich unbedingt eine Form erfüllen und tue dies ohne Respekt vor meinen eigenen körperlichen Gegebenheiten? Pitta neigt dazu sich selbst zu überfordern, weil Pitta sehr ehrgeizig ist. Vata schießt oft übers Ziel hinaus, weil Vata sehr flexibel und anpassungfähig ist und seine eigenen Grenzen oft nicht spürt.
Genauso verhält es sich auch mit der Ehrlichkeit: Ich kann beim Asana-Üben wenig tun, mir dabei einreden, dass ich mich schone und nicht mehr leisten kann. Kapha neigt dazu sich wenig zuzutrauen und erkennt oft seine Kraft und Energie nicht. Dies sind nur einige Beispiele, wie die Doshas, die das Grundgerüst der menschlichen Verhaltensweisen zeigen, auf unsere Handlungen wirken.
In diesem Zusammenhang sollten die nun folgenden Übungen praktiziert werden.
Mit welchem Thema des Yoga Sutra ich ganz persönlich in meiner Yoga-Praxis konfrontiert werde, ist nicht vorhersehbar. Darum ist das achtsame Üben sehr wichtig. Wahrnehmen worum es wirklich geht.
Alle Yoga-Asanas lassen sich auf Grundpositionen zurückführen.
Stehen, liegen, sitzen – daraus werden alle Übungen abgeleitet und variiert.
Standhaltung
Tadasana – die Berg – Die Bergposition ist die Grundhaltung für Standpositionen.
Stelle dich etwa Hüftgelenk breit auf deine Yoga-Matte – (die Füße stehen in dem Abstand, den deine Hüfte vorgibt, auf der Matte). Lasse die Füsse parallel am Boden stehen.
Dann nimm bewusst Kontakt zu deinen Füßen auf und drücke den Großzehenballen, den Kleinzehenballen und die Ferse in die Matte. Die Knie sind locker – nicht durchgedrückt – und die Hüfte ist aufgerichtet. Halte den Oberkörper aufrecht, die Schultern sind locker und das Kinn zeigt Richtung Wirbelsäule, sodass deine Wirbelsäule in Ihrer natürlichen Krümmung aufgerichtet ist. Drücke nicht deinen Brustkorb nach vorn und ziehe auch nicht deine Schultern nach oben.
Vielleicht fühlt sich diese Haltung ungewohnt an. Versuche dich nicht zu verkrampfen.
Schließe die Augen und spüre nun, wie sich dein Körper bewegt, während du stabil stehst. Nimm die Bewegung wahr, die dein Körper macht. Spüre auch deinen Gefühlen nach. Was fühlst du wenn du mit geschlossenen Augen stehst und dein Körper sich bewegt?
Löse dann die Haltung, lockere deine Gelenke und spüre nach – nimm wahr was du empfindest und fühlst. Nimm auch wahr was sich verändert hat.
Gönn dir die Zeit, das Gelernte zu verarbeiten.
Sitzpositionen
Dadasana – Stockhaltung – Die Stockhaltung ist die Grundposition für Sitzhaltungen.
Setzte dich auf deine Matte und strecke die Beine nach vorn aus. Spüre die Sitzbeinhöcker am Boden. Strecke die Beine in die Ferse, aber nur so, dass die Beine dabei am Boden liegen bleiben. Wenn du zu stark anspannst und die große Muskulatur arbeiten lässt, hast du keinen richtigen Kontakt zum Boden und verschwendest Energie.
Versuche deinen Beinen Raum zu geben und lenke deine Aufmerksamkeit auf die Sitzbeinhöcker. Presse diese in die Matte, ohne die Bauchmuskulatur zu nutzen. Der Rücken richtet sich dabei auf, natürlich und ohne Anstrengung. Spüre dieser Aufrichtung nach und erlebe wie sich die Wirbelsäule bis zum Schädel aufrichtet. Dann lass wieder locker und erlebe auch hier, wie du in dich zusammensinkst. Wiederhole die Übung noch zwei Mal. Versuche nur soviel Kraft aufzuwenden wie notwendig ist um die Sitzbeinhöcker in die Matte zu drücken. Spüre deine Beine, deinen Bauch, den Brustraum und den Rücken während du die Übung ausführst. Beende die Übung indem du loslässt und zusammensackst.
Nimm deinen Körper, deine Gefühle und Empfindungen wahr. Was hat sich verändert?
Gönne dir die Zeit, das Gelernte zu verarbeiten.
Liegeposition
Shavasana – Totenstellung – Ruhehaltung
Jede Yogastunde endet mit Shavasana.
Lege dich auf deine Matte – polstere den Kopf gern ab, damit dein Nacken bequem liegt und lege dir etwas unter die Knie, wenn dein unterer Rücken verspannt ist (bei Bandscheibenproblemen ist das Abpolstern wichtig), sodass du ohne Schmerzen am Boden liegen kannst. Decke dich zu, damit du nicht auskühlst. Wer friert kann sich nicht entspannen.
Die Arme liegen seitlich neben dem Körper, etwas abgewinkelt, sodass Luft unter die Achseln kommt. Die Handflächen zeigen nach außen. Auch die Beine sind leicht geöffnet, die Füße fallen nach außen. Die Augen sind geschlossen (wenn möglich – wenn das nicht geht, lass die Augen geöffnet) und du atmest gleichmäßig durch die Nase (wenn das möglich ist, wenn nicht bleiben die Lippen leicht geöffnet und du atmest durch den Mund). Lass den Atem natürlich fließen. Versuche deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem, dann auf deinen Körper zu lenken. Gehe im Geiste alle Partien des Körpers (Füße, Beine, Gesäß, Rücken, Bauch, Brust, Schultern, Arme Hände, Nacken, Gesicht, Schädeldecke) durch und versuche, sie wahrzunehmen und, so gut es geht, bewusst zu entspannen. Der Geist bleibt aufmerksam, der Körper ist entspannt.
Liege ca. 20 Minuten – danach mobilisiere dich langsam und sanft und beende die Übung auf deiner Lieblingsseite – dreh dich auf deine Lieblingsseite. Nimm wahr wie du dich jetzt fühlst. Gönn dir hier die Zeit wahrzunehmen was du fühlst, empfindest. Komm dann über diese Seite wieder zum Sitzen und beende deine Yoga-Übung bewusst.
Für den fortgeschrittenen Yoga-Praktizierenden ist es wichtig zu reflektieren.
Versuche zu reflektieren, was dir begegnet ist. Welches Thema / welche Themen aus dem Yoga-Sutra konntest du wahrnehmen?
4) Pranayama – Atemübung
Ein weiterer Aspekt der Yogapraxis sind die Atemübungen.
Unser Atem ist der Träger der Lebensenergie – er befördert sie und macht sie uns erlebbar. Über den Atem tauschen wir uns mit der uns umgebenden Materie (Sauerstoff) aus. Wir brauchen den Sauerstoff aus unserer Umgebung (Atmosphäre), um zu leben.
Der Atem ist Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens. Wie wir atmen bestimmt unser Wohlbefinden und unsere Energie. In der Yogapraxis schenken wir dem Atem unsere Aufmerksamkeit und wir lernen, ihn zu nutzen und bewusst zu beeinflussen. Dazu gibt es viele Studien, die belegen, dass die Atemübungen im Yoga Auswirkungen auf unsere Körperfunktionen haben. Am Ende des Kapitels werde ich darauf eingehen.
Hier einige Übungen, die du selbst ausführen kannst, um Erfahrungen mit deinem Atem zu machen.
Atembewusstheit
Setze dich in eine bequeme, aufrechte Position und schließe die Augen.
Atme möglichst durch die Nase ein und aus. Falls das nicht gelingt, atme mit leicht geöffnetem Mund – versuche möglichst auch die Nase zur Atmung zu nutzen.
Nimm deinen Atem nur wahr, versuche nicht, ihn zu beeinflussen.
Wie fühlt mein Atem sich heute an?
Kann ich Temperaturunterschiede beim Atmen wahrnehmen? Kühl oder warm?
Was für eine Qualität hat mein Atem? Ist er z.B. kräftig oder weich, flach oder tief?
Wo fließt mein Atem hin? In den Hals, den Brustkorb – wo spüre ich meinen Atem?
In dieser Übung geht es darum Kontakt und Wahrnehmung zu üben. Ich nehme Kontakt zu meinem Atem auf und nehme wahr, wie ich heute atme ohne zu bewerten oder zu manipulieren.
Yogische Tiefenatmung
Leg dich bequem auf deine Matte. Polstere nur wenn nötig deinen Nacken ab.
Nimm deinen Körper bewusst wahr und versuche entspannt zu liegen.
Dann nimm Kontakt zu deinem Atem auf. Atme durch die Nase, wenn möglich. Du kannst auch durch den Mund atmen, wenn dir die Nasenatmung schwer fällt.
Lege die Hände auf deinen Bauchraum und beginne nun tief und gleichmäßig in den Bauchraum zu atmen. Werde dir bewusst wohin du atmest und nimm deinen Atem dabei wahr. Bleibe bei deinem Atem. (Wiederhole das mehrere Minuten lang.)
Breite nun die Arme seitlich aus, Handflächen zeigen nach oben und beginne tief und gleichmäßig über den Bauchraum bis in den Brustraum zu atmen. Werde dir bewusst wohin du atmest und nimm deinen Atem dabei wahr. Bleibe bei deinem Atem. (Mehrere Minuten lang wiederholen).
Schließlich lege die Arme lang nach oben neben den Kopf ab und atme über den Bauchraum, den Brustraum bis unter die Schulterblätter. Atme tief und gleichmäßig. Werde dir bewusst wohin du atmest und nimm deinen Atem dabei wahr. Bleibe bei deinem Atem. (Mehrere Minuten lang wiederholen).
Dann lege die Arme wieder neben den Körper und geh zu deiner normalen Atmung über. Spüre wie du jetzt atmest und erinnere dich auch, wie du vorher geatmet hast.
Werde dir des Unterschiedes bewusst und spüre, welche Empfindungen du hast. Was nimmst du wahr? Wie geht es dir?
In dieser Übung geht es darum den Atem zu lenken und zu beeinflussen. Du atmest in bestimmte Regionen deines Körpers und bestimmst selbst, dass dein Atem tief und gleichmäßig sein soll. Außerdem kannst du zudem die Atemfrequenz steuern, indem du zum Beispiel länger ausatmest als einatmest. Das sind bewusste Eingriffe in den natürlichen Atemvorgang, die du konzentriert und achtsam ausführst. Durch den Kontakt zum Atem wirst du dir deiner selbst bewusster. Du bist präsent im Hier und Jetzt, wenn du achtsam und konzentriert atmest.
All diese körperlichen Übungen schulen unsere Wahrnehmung, üben Konzentration und Fokussierung des Geistes (dharana) auf eine ganz bestimmte Übung ein. Je tiefer wir in der Lage sind, uns auf eine Übung einzulassen und deren Auswirkungen in unserem Köper zu spüren, desto mehr erfahren wir über uns.
All diese Übungen bereiten uns auf die Meditation vor.
Ich stelle hier noch einige einfache Übungen vor, die folgende Zustände (nach Patanjali) erlebbar machen können: nach innen ziehen der Sinne (pratyahara), Konzentration / Fokussierung (dharana) haben die Atemübungen schon gezeigt (s.o.) und Meditation / meditativer Zustand (dhyana).
5. – 7. Pratyahara, Dharana und Dhyana
Tanz – Bewegungsmeditation
Suche dir eine Musik, die dir gefällt, stell dich locker hin und bewege deinen Körper mit der Musik. Du kannst dich auch frei im Raum bewegen. Gib dich ganz der Musik hin und folge den Impulsen deines Körpers, sich zu bewegen (ca. 2-5 Minuten lang für den Anfang). Dabei gibt es keine Vorgaben. Tu was dein Körper tun möchte, wenn du diese Musik hörst.
Danach steh still und spüre nach was du empfindest und fühlst. Kennst du diese Empfindungen, Gefühle, Gedanken, Reaktionen?
Mach dir bewusst was du erlebst und fühlst.
Sitzen in Stille – Sitzmeditation
Such dir einen ruhigen Platz in der Wohnung oder in der Natur, wo dich niemand stört. Setz dich bequem etwas erhöht auf einen Meditationshocker oder ein Kissen. Die Sitzposition sollte für dich angenehm sein. Du solltest bequem und sicher sitzen. Im Rücken aufrecht und frei, damit der Atem überall fließen kann. Nicht anlehnen. Wenn du auf einem Stuhl sitzt, lass die Beine locker und lehne dich nicht an der Stuhllehne an. Sitze aufrecht, die Füße stehen fest am Boden.
Nimm dir nun einen Anker für deine Stille: ein Wort, einen Satz, eine Melodie oder beobachte deinen Atem. Schließe wenn möglich die Augen. Kannst du schlecht mit geschlossenen Augen sitzen, versuche in eine Kerze zu blicken und die Flamme zu fokussieren (Anker). Wenn du soweit bist, beginne in Stille zu sitzen. Bleibe mit deiner Aufmerksamkeit bei dem von dir gewählten Anker und kehre, wenn du abschweifst immer wieder dorthin zurück. Lenke deinen Blick nach innen. Lenke deine Wahrnehmungen nach innen.
Für den Anfang reichen einige Minuten aus um in Stille zu sitzen. Versuche regelmäßig zu üben, aber verlange dir kein Programm ab. Wenn du in kleinen Schritten vorwärts gehst ist das besser als gar nicht zu üben. Oder nur kurzzeitig ein Programm zu erfüllen und dann die Lust zu verlieren.
Nimm wahr was in dieser Zeit der Stille passiert.
Versuche dir diese Erlebnisse zu notieren.
Kommen Gedanken, Gefühle, körperliche Beschwerden in meinen Focus?
Wie gehe ich damit um?
Was passiert noch?
Diese Übungen erlauben einen ehrlichen Kontakt mit den Vorgängen in uns und deren Bewusstmachung. Reflexion ist darum unerlässlich und von großer Bedeutung.
Wenn ich mich entscheide nur Dinge wahrzunehmen, die ich gern an mir sehe oder sähe dann greife ich in den Prozess ein, urteile und „berichtige“ und nehme mir selbst den klaren Blick auf mich. Ich manipuliere mich.
Es ist also eine große Herausforderung vor die Patanjali den Yogi stellt, mit seinen Forderungen nach Wahrhaftigkeit, Gewaltlosigkeit zum Beispiel. Hier geht es nicht darum ein Ideal zu erfüllen, sondern wahrzunehmen was da ist und wie es sich im Laufe der Übungspraxis verändert. Diese Veränderung findet sowohl im Bereich der Wahrnehmungsfähigkeit, die tiefer und feiner werden kann, als auch im Umgang des Yogis mit sich selbst statt. Zum Beispiel ehrlich und respektvoll mit sich zu sein und sich nicht nach irgendwelchen „Bildern von sich“, Konzepten und Modellen zu richten.
Auszuprobieren und erleben was mich ausmacht ist ein wichtiger Aspekt im Yoga, wie im Leben.
Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirkung von Yoga:
Allgemein werden Yoga Praktiken heute im therapeutischen Bereich zur Heilung von Traumata, zur Entwicklung der Persönlichkeit und in der Verhaltenstherapie angewandt.
Nachgewiesen ist, dass durch das Praktizieren von Yoga Wahrnehmungskompetenz, Feedbackkompetenz, Entscheidungs- und Unterscheidungskompetenz erworben werden kann. Die Fähigkeit der Konzentration und Fokussierung wird zum Beispiel bei Aufmerksamkeitsstörungen und Burn-out-Symptomen durch Yoga erlernt und geschult.
Yogaübungen wirken Blutdruck senkend und Gefäß erweiternd. Ein Yogapraktizierender hat in der Regel ein großes Lungenvolumen, die Lunge kann mehr Sauerstoff ins Blut bringen und damit alle Organe besser versorgen. Regelmäßige Yogapraxis hilft den Blutdruck zu regulieren und beugt damit Herz-Kreislauferkrankungen vor. Das alles ohne den Einsatz von Medikamenten oder anderen Substanzen.
Hier nur ein Beispiel von vielen: Die Atemübung Nadi Sodhana (Wechselatmung) hat ein Absinken des systolischen und des diastolischen Blutdrucks zur Folge was wiederum die Herzrate senkt (Bharagava et al. 1988, 257-264) Außerdem fand Bharagava einen Gefäß erweiternden Effekt bei dieser Atmung. Ebert wies den Anstieg des Kohlendioxidgehaltes im arteriellen Blut bei Nadi Sodhana nach (Ebert, Gaunitz 1995, 124).
Da all diese Verfahren eines erfahrenen Yogalehrers bedürfen, der die Übungen sachkundig und verantwortungsbewusst anleitet, möchte ich hier keine weiteren Übungen zur Selbsterfahrung geben. Im Krankheitsfall oder zur Therapie ist es unerlässlich sich in erfahrene Hände zu begeben. Es ist sinnvoll und hilfreich Yoga nicht nur allein zu praktizieren um Selbsterfahrung zu machen, sondern sich immer wieder in den Prozess der Reflexion und damit der Lernerfahrung zu begeben.
Das gilt für jeden Yogapraktizierenden auch für den Yogalehrer.
Namastè
Viola Hill (Hill-Yoga, Münnerstadt Burghausen)